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Mit dem Radlader ins Hotel

von Marc Krautwedel

Kapitel 62: Hitze und Holzschuhe

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Hitze und Holzschuhe

Hitze und Holzschuhe

Dalmatien


Ich sah runter in die Augen des neben mir sitzenden Hundes. „Bald kommt deine Oma und hütet hier ein. Ich bin urlaubsreif.“ Natürlich war der Urlaub lange geplant und gebucht. Keine zu ungewohnte Küche für meinen Mann. Tapas mit Speckmantel erhielten nach Jahren der Missachtung einen Vertrauensbonus. Er war nicht grundlos vorsichtig: Auf einer Tagung in Peking aß er vom Buffet etwas technisch mit frittierten Maultaschen Vergleichbares – und behielt es nur Sekunden in sich. Unnötigerweise hatte er mich auch über den finalen Einschlagsort des Gespuckten informiert. Es ›betraf‹ den Rückenausschnitt eines Abendkleids und das Büffet selbst.

›Irgendetwas, wo sie beschäftigt sind und sich heimisch fühlen. Es wäre schön, wenn sie neue Eindrücke gewinnen könnten und wollten.‹ Das war der Kern meiner Urlaubsplanungen für die Familie. Bei langen Autofahrten wird der Weg zum Nebenziel.

So auch bei einem zweiwöchigen Hotelaufenthalt an der Adria. Es war ein Reiseziel mit Olivenbäumen, Affenbrotbäumen, Felsen, blauem Meer, Kiesstrand und gutem Essen. Der Weg dahin und zurück im orangenen Fünfer mit den Chromleisten, lieferte stärkere Eindrücke. Auf dem Pass über den Brenner wurden die Sinne umarmt. Schnell wechselnde Temperaturen, einem Kurven zwischen Ziegen, die geübt darin waren, auf Standplätzen direkt auf der Rückbank nach Nahrung zu suchen. Der absurde Imbiss hoch am Berg, ohne Sitzplätze, aber mit berauschender Aussicht war ein kulinarischer ›Hochgenuss‹. Junior grübelt noch heute darüber, wie sie die Würstchen in die Brötchen stecken konnten, ohne letztere längs aufzuschneiden.

Die Fahrt auf der engen Straße durch das ehemalige Jugoslawien hatte eine Fülle von Postkartenmotiven aus Landschaft und Meer preisgegeben, dass ich mich nicht sattsehen konnte. Ging auch nicht immer. Die Furcht um meine Familie fuhr an einigen Stellen mit. Auf der einen Seite der schmalen sandigen Straße war ein zweihundert Meter tiefer Abgrund bis ins Meer und andererseits stand die ausweislich steinschlaggefährliche Felswand mit prächtigen Agaven. Ich bekam alles intensiver mit. Die flimmernde Luft und die Gerüche, die sich durch die Hitze und Kargheit zu verstärken schienen. – Es kann aber auch sein, dass der unüberholbare ungekühlte Obstlaster vor uns mit seinen reifen Früchten schon eine Weile unterwegs war. Wir sangen viel und häufig dasselbe Lied – und davon nur die erste Zeile sowie eine gekürzte, einzeilige Strophe. Es wurde keinem von uns langweilig, das Lebensgefühl immer wieder gemeinsam mit den wenigen Noten rauszuschmettern.

Wir saßen spät am Abend, das Kind war bereits im Bett, in dem Restaurant der devisenbringenden Herberge zu Titos Zeiten in Dalmatien. Es lagen nur an den Sitzgruppen edle Teppiche auf dem rosa Marmor, der das moderne Haus tagsüber in ein lichtes und mit der Dämmerung elegant-preziöses Ambiente verwandelte. Objektiv und relativ gesehen war der Aufenthalt kostspielig; für uns besonders. Es war Aufbruchstimmung aus der Krise und der neue Wagen war genauso Ausdruck, dass es voranging. Die Windschutzscheibe war zwar auf der Hinfahrt bei brutaler Hitze gerissen, aber wer keine Sonne gewohnt ist, kennt auch keinen Schatten. Ich genoss den einen gerade begonnenen Abend mit meinem Mann. Die Reise war bis hierhin erlebnisreich, trotz oder gerade wegen der langen Autofahrt. Die Teilhabe kurz vor der Langeweile ist ein Leben, von dem ich gern ein größeres Stück hätte. „Aber einmal gehen wir allein ins Restaurant; nur wir zwei als Ehepaar – und wir reden weder über Kinderkrankheiten noch über meine Arbeit“, war ein jährliches Urlaubsvorhaben, das mein Mann versuchte umzusetzen. ›Einen Abend ist er nur mein Mann. Es kommt keiner, der uns stört. Der Service ist freundlich, ohne dass es zu Verbrüderungen wie in einer Dorfschenke käme. Wir können ein wenig Resümee der Reise ziehen, es sacken lassen, den Wein genießen und über Gefühle und Zukunft plaudern‹, dachte ich und eine ungewohnte, angenehme Ruhe hüllte mich wie eine Wolke ein.

„Klack, klack, klack …“, wurden die Partikel der Wolke durch Schallwellen förmlich sichtbar erschüttert. Sie verzog sich mit den Schwingungen und gab den geistigen Blick frei auf das vertraute Geräusch. Es waren unzweifelhaft die Holzschuhe meines kleinen Sohnes. – Erst aus der Lobby, dann dem breiten Flur nordwestwärts zum Restaurant – und von den drei Stufen in das Restaurant auf dem Marmor hörte und erkannte es schnell.

„Was macht ihr hier? Warum seid ihr nicht im Bett?“, war die berechtigte Frage eines fünfjährigen Kindes. Junior stand nur in Unterhose vor uns am Tisch, weil der Bärchen-Frotteeschlafanzug bei den Temperaturen untragbar war. Ich erhob mich, fuhr mit ihm nach oben, er zog sich an und wir kehrten zurück. – Und der Sonnenschein hatte keinen Appetit mehr. Aber die Familie war vereint. Ich hätte es wissen sollen.

Meinungen

Wie ist oder war Familienurlaub im Auto für Dich? Mit Sack und Pack wegfahren oder vieles einfach mal zurücklassen? Oder beides? 

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