Dorfplatz mit Aussicht
Ravello
♥
„Oh, Ravello. Da müssen wir hin.“ Ich sah den Wegweiser und reagierte spontan. Es war nicht nötig, meinen Wunsch weiter zu begründen. Nicht dass mein Sohn jemals von Ravello gehört hätte. Aber es schien ihm zu gefallen, noch ein paar Extrarunden mit dem sperrigen Auto auf eingewöhntem Terrain zu cruisen. Es ging noch mal nach oben und unterhalb der Piazza parkten wir auf dem Besucherparkplatz.
„Für ein kleines Dorf ist der Parkplatz ziemlich groß“, stellte mein Sohn richtigerweise fest. „Die Einwohner parken sicher auch hier. Ist ja kein Weiterkommen, wenn man zu seiner Hütte am Hang will“, haute er voreilig raus und lag wieder einmal voll daneben. „Ah, da oben ist der Dorfplatz.“
„Wie nennst du die Piazza?“, fragte ich ihn entsetzt.
„Dorfplatz“, antwortete er, ohne eine Regung der emotionalen Annäherung an einen Ort mit Historie. „Das ist ein Dorf und da vorne ist ein Platz. Wo ein Platz ist, treffen sich Menschen, um zu essen, trinken, feiern oder um gemeinsam Mist zu bauen. Also: Dorfplatz. Hoffen wir das Beste. Ich muss pinkeln.“ Kaum hatte er es gesagt, ging er etwas schneller.
„Und wie nennst du das Häuschen da vorne?“, fragte ich und zeigte auf das dominante Objekt an dem Platz.
„Kirche. Das sieht doch jeder.“
„Ein Dom. Nennen wir doch einfach mal deinen ›Dorfplatz‹ respektvoll ›Domplatz‹.“
„Umso besser. Wo ein Dom steht, ist was los. Touris, Wallfahrer, Gläubige. – Perfekt. Sorry, ich hab´s eilig.“
„Schatz, ich denke, du brauchst nicht schnell zu laufen“, sagte Katja. „Es ist schön hier; wirklich sehr schön.“
Ich bin sicher, die beiden werden das Gespräch auf dem Weg zur Piazza Duomo in irgendeiner Form – vermutlich mehrdimensional, aber verschiedengleisig – aneinander vorbei geführt haben. Und es interessierte mich nicht. ›Gleich werde ich eines der berühmtesten Postkartenmotive der Welt sehen. – Nein, ich werde es erleben. – Dreidimensional, in Bewegung, mit eigenen Augen sehen, den Garten riechen und die leichte Brise vom Meer spüren.‹
Gewaltige Pinien flankierten unseren Weg in der für mich perfekten Richtung zur Villa Rufolo. – Bis mein Sohn links ausscherte. „Ich besorge uns ein Tisch. Irgendwie. Da kommt eine ganze Busladung“, sagte er und zeigte beim Blick zur Seite auf eine Reisegruppe.
„Lass uns bitte erst in die Villa Rufolo gehen. Da ist ein Hinweisschild.“ Ich war ungeduldig, denn ich wollte unbedingt das mir bekannte Motiv mit dem Blick durch den botanischen Garten aufs Meer selbst erfassen. Ich wollte auf den Auslöser in meinem Gehirn für eine bleibende Erinnerung drücken und alle Informationen des Momentes zusammenführen.
„Alles klar. Können wir das gleich besprechen? Ich bin sofort wieder da“, sagte Junior im Forteilen und kam nach wenigen Minuten wieder. Wir gingen in die Villa Rufolo und nach hinten raus in den Garten. Die Pflanzen waren traumhaft, das Wetter war traumhaft und das Meer sowieso. Es war nicht schwer, die bekannte Motivposition zu finden. Nur etwa zehn andere Personen waren mit uns im Garten. Dennoch müssen es in den tausend Jahren viele gewesen sein, die hier standen und wie ich geplättet von der Schönheit waren. Vor der Weiterfahrt gingen wir noch in das Caffè auf dem ›Dorfplatz‹ von Ravello. Es war so traumhaft unaufgeregt, dass es so nicht bleiben konnte. Wir hatten es nicht eilig und waren nur einige Kilometer unseres Tagesziels Amalfi entfernt. Es war noch nicht Hauptsaison und wir sahen unterwegs zahllose Hinweise auf freie Hotelzimmer.
Meinungen
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