Mit dem Radlader ins Hotel
Gastfreundschaft
Sizilien
Ich hatte mehrere Busreisen auf Sizilien unternommen, um mir auch das Hinterland anzusehen. Es waren keine Reisen, sondern Ausflüge, teilweise ohne festes Ziel. Ich nahm einfach den üblichen Linienbus. Dass der an der Küste enger getaktet ist, hatte ich wohl übersehen. Auf der Fahrt sah ich ein kleines Dorf mitten im Nirgendwo. Es macht einen netten Eindruck, und ich stieg aus, um es mir genauer anzusehen, um dann mit dem nächsten Bus wieder zurückzufahren. Das Dorf wird etwa dreihundert Einwohner gehabt haben. Es war alt, steinern und hatte keinerlei Gastronomie. Darauf war ich auch nicht aus. Völlig egal, den nächsten Bus würde ich ohnehin nehmen. Das mit dem Bus war eine kleine Schwierigkeit, auf die man stößt, wenn man im Rahmen einer allgemeinen Orientierung nicht zwischen Haupt und Nebenstrecken unterscheidet. Ich stand an der Bushaltestelle und wartete. Das Schildchen neben mir, die Straße vor mir, die Landschaft hinter mir und auf der anderen Straßenseite ein winziges Einfamilienhaus.
Dort in der Einöde wurde nichts zum Leben erweckt, außer der Neugierde und dem Mitgefühl der Familie in dem Haus. Die drei Kinder sahen mich zuerst. Dann kamen noch ihre Eltern, die Tante und die Oma hinzu, bevor sie alle mich von der kaputten Hofmauer aus beobachteten. Die Mutter der Kinder kam zu mir über die Straße. Sie konnte gerade rüber gehen, ohne zu warten, denn mit Verkehr war nicht zu rechnen.
„Kommen Sie zu uns rüber ins Haus und essen Sie mit uns“, sagte sie freundlich einladend.
Die Herzlichkeit und die italienische Gastfreundschaft überfraute mich. „Ich danke Ihnen vielmals für Ihre große Freundlichkeit, aber ich möchte meinen Bus nicht verpassen.“
„Signora, der Bus kommt in drei Stunden. Wir achten darauf, dass sie ihn nicht verpassen.“
Ich saß mit der Familie am Tisch im Hauptraum des alten Hauses, dass er wie ein kleiner Stall wirkte. Der Raum war Wohnraum, Esszimmer und Küche. An der Seite befand sich eine offene Feuerstelle mit einer halbrunden Ummauerung, deren Bogen einen Durchmesser von über einem Meter hatte. Das Haus war auch flach und der Schornstein wahrscheinlich nicht hoch. Es fehlte der Zug. Der ganze Raum war diffus verräuchert. Wir sprachen teilweise Deutsch, weil der Vater als junger Mann einige Jahre in Deutschland in einem Automobilwerk gearbeitet hatte. Er liebte es, sich seiner Deutschkenntnisse zu erinnern und es wieder zu praktizieren. Ärmlich würde ich das Leben der Familie nicht bezeichnen. Sie waren arm und sie teilten, was sie hatten. Gehungert hatte keiner, aber es wäre gönnerhafter Kitsch von mir, zu behaupten, dass sie sich es so gewünscht hätten. Die Familie brachte mich bis vor die Tür und wir verabschiedeten uns, als ich den Bus in der Ferne kommen sah. Andere Gegenden, andere Busse, andere Takte. An einem Ort wollte man mir einreden, dass es gar keine gäbe.