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Mit dem Radlader ins Hotel

von Marc Krautwedel

Kapitel 41: Bergwertung

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Bergwertung

Bergwertung


Drei Hochgebirgseindrücke hatten bei mir bleibenden Sehnsuchtsschaden hinterlassen. Der Pass über den Sankt-Gotthard war tatsächlich ein Meilenstein. Die Strecke, die Kargheit, die Ziegen. Seit dieser Überfahrt werde ich den Gedanken nicht los, mir irgendwann einmal kauende Ziegen in den Vorgarten oder auf den Balkon zu stellen. Es hat was bodenständig Beruhigendes.

Die Murmeltierraststätte hoch oben auf der Großglockner-Hochgebirgsstraße war anders – aber auch schön. Die Straße ist sauber ausgebaut, die Kurven sanft und die einzigen Hindernisse waren kämpfende Senioren auf ihren Rennrädern. Die Gaststätte selber ist dem Ausflugstourismus zugewandt. Ich saß bestimmt anderthalb Stunden dort draußen in der Sonne und blickte auf die Berge. Der Wirt kam vorbei, sah meinen Genuss im Gesicht und lächelte. Ich entschuldigte mich für den langen Aufenthalt und dass ich den Umsatz schmälerte. Er lächelte abermals und sagte: „Bleibt’s, solang ihr wollt.“

Das dritte Hochgebirgshighlight hatte ich in Sölden im Ötztal, auch Österreich. Mit der Seilbahn wurden wir beide auf dreitausendvierzig Meter gebracht. Ich saß in der Sommersonne draußen und um mich herum ›gipfelte‹ ein Meer von Dreitausendern. Es mögen sechzig gewesen sein. Ich war in der ersten Besucherreihe bei einem vom Wetter begünstigten Gipfeltreffen von Steinriesen – und ich befand mich mit ihnen auf Augenhöhe. Meine Begleitung lag neben mir total entspannt auf dem Boden. Paulchen – ein echter Straßenköter – gähnte ständig vor Freude. Zu meiner Spannungsentladung hatte ich ein Glas Rosé-Champagner in der Hand und vor mir auf dem Tisch stand ein Teller mit einem Stück Erdbeerkuchen. Es war nicht ganz warm da oben. Aber der Himmel strahlte von Hellblau bis Weiß im Gegenlicht. – Und wir waren allein. Das Champagnerevent war eine Marketingidee des Hotels. Ich selbst wäre nicht im Traum draufgekommen. – Aber ich liebte es in diesem Moment.

Auch im Hochgebirge war es mit den Mayers anders. Bei denen steckt etwas vollkommen Eigentümliches im Blut.

Auf der Jagd nach Bergkristallen kraxelten sie in Graubünden in der Schweiz ins Hochgebirge. Junior hatte die Mineralienphase und sammelte mit Bestimmungsbuch. Klettern durfte er nicht allein, und ich schickte seinen wenig begeisterten Vater mit. Ich wartete etliche Stunden im Wagen an einer Stelle, wo mit Sicherheit kein öffentlicher Verkehr mehr erlaubt war. Die Langeweile hielt sich in Grenzen, denn ich stand aus Angst um meine Familie unter Hochspannung. Sie waren beide sportlich zu der Zeit. Aber was heißt das schon? Mit den Mountainbikes auch mal einen nicht-asphaltierten Waldweg unweit der Lüneburger Heide mit purer Abenteuerlust im sinnlosen Generationenwettbewerb zu bezwingen, hatte wenig bis gar nichts mit dem Dreitausender zu tun, an dem ich auf halber Höhe um sie zitterte.

Sie kamen erfolglos, aber unversehrt vom Gipfel jenseits der Schneefelder.

„Und wie war es?“, fragte ich in ein enttäuschtes Gesicht und eines, das sich von der Verantwortung erholen musste.

„Wir haben keine Bergkristalle gefunden. Dad wollte nicht höher“, sagte mein Sohn.

„Wir waren oben am Gipfel, an der Wand, mit den Spalten und vor allem zu viel Geröll unter uns und die Wand vor uns. Ohne Ausrüstung waren wir schon zu weit. Wir haben den Versuch abgebrochen.“

„Warum geht ihr auch da hin, wenn du weißt, dass es gefährlich ist? Ausrüstung? Was kommt als Nächstes?“

„Durch ein Meer von Himmelsschlüsselchen sind wir gegangen. Die stehen unter Naturschutz, sonst hätten wir dir welche gepflückt.“

„Was seid ihr?“, fragte ich den Baulöwen, der sich eher durch eine robustere Gangart in Sprache und Neigungen auszeichnete als eine florale Komponente jedweder Art. Er wollte ablenken.

„Immerhin haben wir einen menschlichen Oberarmknochen gefunden“, sagte mein Sohn beiläufig. „Er war unten an einem Abhang, wo kein Schnee lag. War ganz schön schwer, zu ihm runterzukommen.“

Ich blickte zu meinem Mann und er wand sich unter meiner strafenden Anspannung. Junior interpretierte meinen Ausdruck anders. Falsch, wie er es zu häufig tut.

„Doch Mami, ehrlich. Es muss ein erwachsener Mann gewesen sein. Wir sind alle Knochen durchgegangen, als wir ihn angehalten haben, um zu vergleichen.“

Nun war Junior erwachsen und lernte, seine eigenen Knochen zu spüren. Vor dem Autobahntunnel hatte er mehr ›Respekt‹ als ich. ›Das Kind, das nichts und niemanden fürchte, rotzfrech war, Spinnen streichelte und von Baum zu Baum sprang, mausert sich in Richtung Bedenkenträger.‹

Wir kamen aus dem Tunnel und die Sonne hatte uns wieder. Wir waren auf dem Weg zur Amalfitana, der Küstenstraße, irgendwo zwischen Neapel und Salerno. Auf dem Weg dahin lag eine meiner Lieblingsstädte. Rom. Wir waren nicht mehr weit entfernt. Im Grunde fuhren wir direkt darauf zu. ›Alle Wege führen nach Rom‹ Ich war bisher nur einmal dort und damals eilte ich alleinreisend in die Stadt. Mit dem Flugzeug von Hamburg kommend war es ein Katzensprung. Nun kam ich mit Familie im Auto, mit der drei Tage alten Erfahrungen den Knochen, dass mir die lieben Kleinen wie mit einem Handstreich eine andere Lieblingsstadt von mir, Venedig, madig machen wollten. Ich war etwas sauer über die Ignoranz und die flache Beurteilung. Einer Illusion kann man nur beraubt werden, wenn es eine Illusion, ein Trugbild ist. Meine Erinnerungen an Venedig sind so wahr wie lebendig. Katja und Junior wollten einen gemeinsamen Weg bestreiten. Ob sie auch dasselbe Ziel hatten, wussten sie möglicherweise selbst noch nicht. Ich sah aus dem Fenster auf meiner rechten Sitzseite auf in die Richtung, in der die Hauptstadt Italiens liegt. Meine Woche damals in Rom war intensiv und zugleicht tief entspannend. Dass man dort genügend Gelegenheiten hat, sich die Füße blasig zu laufen, ist keine Überraschung und war es auch nicht für mich. Die Buchung kam eher kurzentschlossen als spontan zustande. Es hatte sich gelohnt. Die Erinnerungen an Rom wollte ich wenigstens vor übereilten Meinungen schützen. Sie waren es wert.

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