Lumumba
Ibiza
Aus dem Shop auf Ibiza gingen wir unter dem Zirpen der Grillen auf den rötlichen Keramikfliesen. Die sanft geformten, weißen Rauputzwände der Gebäude waren im gleichen Stil wie das puebloartige Zentrum der Anlage. Dann lief alles wie geschmiert, ohne Eingriffsnotwendigkeit meinerseits. Und zwar den ganzen Tag durchgehend. Unsere beiden engsten Bekanntschaften im Klub waren ausgerechnet Männer. Quax hatte seinen Spottnamen von einem Film mit Heinz Rühmann, weil er selbst Pilot ist. Der große Kerl verbrachte dort eine Woche alleinreisend. Nur so. Genauso der Typ, den er dann über uns kennengelernt hatte, Lumumba. Der Spitzname, den wir ihm gaben, zeugte von seinem favorisierten Getränk: Kakao mit Rum. Ich kannte einen anderen Namen für das Zeug. Auf der Nordseeinsel Föhr hatte ich viel Zeit meiner Jugend verbracht. Dort heißt das Gemisch ›Tote Tante‹, weil es mit der Geschichte einer Urne in einer Kakaokiste verbunden wird. Lumumba – er – sah eher wie ein Seeräuber als ein Muttchen aus. Ein pfiffiger Typ, an dem das Leben in noch relativ jungen Jahren nicht spurlos vorbeigegangen war. Aufgeschlossen, intelligent, wortgewandt, aber von einer punktuell schweißig-bissigen Verzweiflung begleitet. Mein Sohn mochte beide, Lumumba lieber als Quax, weil er für ihn freier, weniger ›langweilig‹, also nicht so geschliffen war. Die Freundschaft endete eines frühen Abends, an dem Lumumba mit der Wirkung einiger Namensvettern unter lachender Sonne zu ihm sagte: „Na, wie lebt es sich, mit dem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen zu sein.“
„Goldener Löffel im Mund? Was meinst du damit?“
„Du bist versorgt. Du hast nichts auszustehen. Dir wird jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Deine Mutter kümmert sich um dich. Ist doch so?“
Dem hatte er weder eine weitere Erklärung noch mildernde Worte hinzugefügt. Was auch? Ich war völlig unerschrocken. ›Wie kannst du so mit und von meinem Kind reden?‹, – kam mir nicht über die Lippen. Er hatte recht. Und das war keine Überraschung. Natürlich habe ich mich immer um unser Goldstück gekümmert. Das hielt ich für meine Aufgabe. Natürlich hatte niemand gefragt, ob mir das alles Spaß machen würde. Dass der Muttertag später familienintern eher zu einem militärischen Leistungstest hausfraulicher Fähigkeiten und Kampfkraft erklärt wurde, hatte für mich weder in der Aussage noch in der Auswirkung einen unterhaltsamen Charakter. Es war einfach: Wenn der junge Junior etwas wollte, die erforderliche Zeit und die Mittel sich im Rahmen bewegten, hatte ich es irgendwie bewerkstelligt. Mein Kind hatte alles, was es brauchte und noch mehr. Eigentlich unwichtig, denn es gibt wenig, was man nicht mit einer Kinderschere, alten Pappkartons und Fingerfarben mindesten gleichwertig ersetzen könnte.
Nachdem Lumumba ihm die Wahrheit auftischte, stand mein Sohn auf und ging wortlos. Er hatte sich im Urlaub nicht noch ein einziges Mal mit ihm unterhalten, auf ihn reagiert oder sich zu uns gesetzt, wenn er dabei war. Lumumba wollte mit ihm reden. Ein Gespräch unter Männern? Nichts zu machen. ›Tote Tante‹ eben. Erledigt. Mein Sohn neigt dazu, sich umzudrehen und zu gehen. Er bleibt dann weg und kehrt in den seltensten Fällen zurück.
Meinungen
Stur, verpäppelt, positioniert?