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Mit dem Radlader ins Hotel

von Marc Krautwedel

Kapitel 32: Dickschiffe

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Dickschiffe

Dickschiffe

Ravenna

Es wäre eine glatte Lüge, zu behaupten, wir hätten uns auf der Fahrt nach Ravenna bemüht, Missverständnisse zu beseitigen, aufzulösen oder aus dem Weg zu räumen. Wir vermieden in den Gesprächen jede Form von möglichen Kollisionspunkten. „Ihr wolltet doch nach Venedig“, beendete ich ein Wortgefecht, das ich damit erst begonnen hatte.

„Ja, mal kurz ein paar Fotos machen.“

„Ich habe gesehen genug. Aaana, ich denke, …“.

„Katja, wenn du sagst, dass du denkst, dann glaube ich dir. Aber warum jagst du deinen Mann durch die ganze Stadt? Er ist zu dick und er hat Knöchel wie Bowlingkugeln.“

„Er kann selbst sagen, was er mööhchte. Aber Aana, ich denke, wir können sagen, er kann abnehmen.“ Sie wendete sich dem nun im Fokus befindlichen Dickimäuschen zu. „Schatz, nicht viel, nur etwas.“

„Können wir vielleicht meinen Bauch und meine Füße da raushalten?“ Erleichtert, aber bissig überstreckte er den Kopf. „Da ist eine Tanke. Ich brauche einen Energydrink. Oder besser zwei. Das Diskutieren macht schläfrig. Wollt ihr was essen oder trinken? Ich bring Wasser und Cola mit.“

›Ihr scheint euch verdient zu haben‹, dachte ich nur in der Vermutung, Gemeinsamkeiten erkannt zu haben. Katja war im Dreiländereck der Zugehörigkeit. Noch durch die blinde Liebe meines Sohnes umfassend geschützt, dennoch eine Außenstehende, weil sie nicht alle Mechanismen kannte. Ins dritte Land, Familie wollte sie gerade einwandern und genoss durch mich Welpenschutz. In Ravenna, auf dem Weg zu dem Hotel, das wir uns dort nahmen, hatten wir sinnvollerweise beschlossen, uns für den Abend etwas aus dem Weg zu gehen. Ich weiß nicht, was die beiden gemacht haben. Ich brauchte frische Luft. Unser Hotel lag im Zentrum bei der Kirche San Giovanni Evangelista, die ich mir am nächsten Morgen ansehen wollte. Für diesen Tag war ich aber bedient. ›Einfach irgendwo unter Menschen sitzen, die ich nicht kenne und mit denen ich schon gar nicht verwandt bin.‹ Ich ging schnurstracks auf die Piazza del Popolo und sah mir dann die Altstadt an. Nur ein kleiner Schlenker und ich landete wieder auf der Piazza und trank eine Spritz. Es war eigentlich so, wie es sein musste. Ich saß auf einer italienischen Piazza. Es war ein warmer Abend im späten Mai. Ich hatte ein Getränk vor mir. Daneben stand ein Schälchen begleitendes Knabberzeug – kleine Leckereien – auf dem Tisch. Umgeben war ich von einer milden und harmonischen Geräuschkulisse gut gelaunter Menschen. Vor allem war ich allein. Genug Voraussetzungen, um mich frei zu fühlen.

Ich stand sehr früh auf, um in umgekehrter Reihenfolge von der Entfernung vom Hotel entsprechend den Öffnungszeiten, noch die kulturellen Dickschiffe frühchristlicher und byzantinischen Sakralbaus anzusehen. Im Besonderen war es das Erleben der Mosaike. Erleichtert durch die Schönheit und Proportion ging ich zum Frühstücken zurück ins Hotel. Die Urlaubsbegleitung trudelte auch irgendwann beim Frühstück ein. Sie waren ausgeschlafen und mit einer gewissen Unternehmungslust ausgestattet. Da sie nicht nur ausgeschlafen, sondern auch verschlafen hatten, erübrigte sich für sie das kulturelle Programm am Morgen. Das Bedauern darüber hielt sich in Grenzen. Katja wäre sicherlich gerne mitgekommen. Es gab bestimmt viele Orte, die sie interessiert hätten. Aus meiner Sicht wäre die Fahrt über Bologna und Florenz mitsamt der Toscana mindestens genauso attraktiv gewesen wie die Tour an der Adria. Die Abruzzen hatten es mir unbekannterweise angetan. Katja war begierig, das Meer nicht nur zu sehen, sondern auch an den Strand zu gehen und zu baden. Unsere Reise war ohnehin ausgedehnter als geplant. Anstatt nur bis Pescara zu fahren und kleine Abstecher zu machen, sollte es jetzt nach Amalfi gehen. ›Völlig verständlich, dass es der jungen Frau vor mir nach Capri dürstet. Schon der Gedanke an Hochzeit und der Fahrtrichtung Capri reicht selbst bei einer nicht mehr ganz jungen Frau wie mir leichte Fieberwallungen aus‹, hatte ich gedacht. Über meine Hochzeitsreise spreche ich nicht. Wie auch? Ich konnte mich so in Katja hineinversetzen. Weit gefehlt.

„Schaatz, ich denke, wir fahren Amaaalphi.“ Die Amalfitana, eine der, wie behauptet wird, schönsten Küstenstraßen der Welt, hatte es ihr angetan. Damit war der Zeitplan ausgereizt. Nachvollziehbar war auch das für mich. Doppelt gut, nicht als die von ihnen geplante Oma auf der Insel der Liebenden aus dem Bildhintergrund zu hechten, wenn Erinnerungsfotos von Ihrer Verlobungsreise – und das schien es ja irgendwie zu sein – hätten ›schießen‹ lassen. ›Diese Wallungen bleiben mir ganz sicher erspart‹, dachte ich und sollte ziemlich recht behalten.

Unsere ›Familienreise‹ durch Italien führte raus aus Ravenna, der Stadt Theoderichs, dem weströmischen Kaiser, umgeben von Geschichte und der verbundenen Kultur. Fast genau hundert Kilometer Luftlinie ist eine Stadt, die mir wegen ihrer Blüte in der Renaissance näher ist: Florenz. ›Hallo meine Schöne. Diesmal nicht. Ich komme wieder‹, dachte ich in Erinnerungen auf Wolken schwebend, beim ziellosen Blick aus dem hinteren rechten Seitenfenster.

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