Italienische Gefühle
Gardasee
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›Wow ist das schön‹, war mein spontaner Gedanke, der mich nicht hatte überraschen sollen. Die Ecke kannte ich und die Aussicht, die sich mir bot, genoss ich zuvor schon etliche Male. Trotzdem und vielleicht sagte ich es oder rief laut aus, was ich empfand, als wir aus den Hügeln kamen und der See sich breit und lang zwischen den Bergen erstreckte, die bewegte Wasseroberfläche viele tausend Male von tanzenden Reflexionen des Sonnenlichts gefeiert. Der Gardasee hat alles, was man braucht, damit sich Hochgefühle entwickeln konnten – und noch mehr. Auf der Fahrt Richtung Bardolino bin ich jedes Mal erneut von der unaufgeregten Schönheit fasziniert. Da gibt es nichts Exzentrisches, Schroffes, Brutales, Überhöhtes, sondern pure, ausgewogene Harmonie. Auf der einen Seite der Seestraße, von der Brennerautobahn kommend, liegt der riesige See. Motorboote düsen vorbei. Segler, Windsurfer und mittlerweile auch Kitesurfer tummeln sich farbenfroh bevorzugt in der windigen Ecke von Torbole.
Ich war durchgeschaukelt, aber unternehmungslustig, was bei mir nach einer langen Fahrt eher selten vorkommt. Ich wollte nicht mit auf diese Tour, aber war neugierig, wie es sich entwickeln würde. Die Schaukelei wollte meinen Magen von Ballast erleichtern – die Aussicht mein Herz mit Eindrücken beladen.
„Lasst uns doch mal kurz in das Tal dahinten fahren. Ich kenne eine, die da ein Haus hat. Sandra schwärmt von dem Dorf. Es sind nur ein paar Kilometer“, sagte ich.
Mein Sohn bog rechts ab und fuhr am Berg entlang taleinwärts. Nach nicht einmal fünfhundert Metern meldete sich Katja. „Schatz, ich habe Bauchschmerzen von der Fahrt. Können wir Hotel gehen?“
Der Held war gefragt und er reagierte: „Klar, machen wir das. Wir müssen uns nur erst eins suchen.“ Ohne mich zu fragen oder einzubeziehen, drehte er um und fuhr schnurstracks den See entlang Richtung Bardolino.
›Das Bauchweh muss schlimm sein‹, dachte ich. ›Das übliche „Schaaatz“ kam diesmal leise, kurz und spitz.‹
Auf der anderen Seeseite erstreckt sich Limone am Berg und mir kommen immer erneut zwei Gedanken. ›Irgendwo dahinter, weiter links, hoch am Berg wohnen und sich nicht sattsehen können an der Aussicht über den See und auf den Monte Baldo.‹ Der zweite Gedanke hat etwas mit echtem Urlaubsgefühl zu tun. ›Ab hier wachsen Zitronen.‹ Das darf man nicht so eng sehen. Es gibt einigermaßen winterharte Zitrusgewächse, und nicht umsonst stehen die Limonen am Gardasee in Limoneiae, wo sie im Winter durch Abdeckung von Schnee und Frost geschützt sind. Zitruspflanzen machen mich glücklich – warum auch immer. Das satte Grün, die großen, bunten Früchte und der sonnige Duft der Blüten erfrischen mein Gemüt. Oft hatte ich es zu Hause selbst probiert, aber ich brachte sie in Deutschland nicht über den Winter. Reinholen, zurückschneiden, draußen in Luftpolsterfolie einpacken – es ging nie gut. Zu warm, zu feucht oder Schädlingsbefall. Meistens kam alles zusammen. Trotzdem ich die Westseite eigentlich lieber mag, hatten wir als Familie uns schon frühzeitig, vielleicht zufällig für die Ostseite entschieden. Wir waren dabei geblieben. Schnell von der Autobahn aus erreichbar, Bademöglichkeit und Kiesstrand für das Kind, Cafés und Restaurants überall. Ich sitze nie lange in einem Café – in Italien ›Caffè‹. Junior ist egal, wie die Kneipe mit Außenplätzen gern genannt wird. Wenn die Atmosphäre locker ist und er auch mit den Leuten an den Nachbartischen quatschen kann, hält er es aus. – Und andere ihn.
Wir fuhren auf der Ostseite des Sees. Linker Hand zogen die Anhöhen und Gipfel des Monte Baldo und die zahlreichen an die Hänge geklebten Häuser an uns vorbei. Die hohen Zypressen mag ich mir im Gesamtbild nicht wegdenken. Den Busparkplatz von Malcesine, auf den könnte ich verzichten. So schön der Ort ist, so überlaufen ist er von Tagestouristen. Bei der Durchfahrt durch Torri del Benaco sticht mir jedes Mal das winzige Ladengeschäft ins Auge, vor dem kaum Fußweg ist. Die Straße verjüngt sich und mit einem kleinen, gebauten Schlenker ist der Laden Teil der alten Häuserschlucht. Ein kurzer Schulterblick zum Hafen. Dann kamen wir nach Garda.
„Weißt du noch“, sagte ich zu meinem Sohn. „Hier hast du das Schwimmen gelernt. Du warst mit dreieinhalb Jahren zu Hause im Schwimmkurs, konntest es dann auf einmal nicht mehr, weil du Angst vom Wasser hattest.“
„Katja, das hast du bitte nicht gehört“, sagte mein Sohn zu seiner Frischverlobten auf dem Beifahrersitz blickend.
„Schaaatz, mein Mann hat Angst vor Wasser. Ich denke, du bist riiichtiger Maaan“, sagte Katja und fühlte sich offenkundig und ihrem Gesichtsausdruck folgend, offensichtlich voll integriert in die Familie der aufgetischten Peinlichkeiten.
„Danke Mutter, vielen Dank.“
›Es war nicht meine Idee, mitzukommen.‹, dachte ich. Nun musste er es ausbaden. Schwimmen konnte er eine Weile, knappe zwei Jahre ja nicht mehr. „Hier hast du das Vertrauen zurückgewonnen. Und natürlich bei uns im Freibad. Es war ganz schön nervig, dich für alle zehn Meter zu loben, die du freigeschwommen bist, bevor du dich wieder am Beckenrand festgeklammert hattest.“ „Mutter, bitte.“
Meine Gedanken wanderten. Ich war eine junge, zweifelsohne attraktive Frau damals in Garda. Mein Mann und mein fünfjähriger Sohn spielten am Wasser und ich nutze die Gelegenheit, durch den Ort zu gehen und Sonnencreme fürs Kind aus dem Hotel zu holen. Das war fast unmöglich allein zu bewerkstelligen. Gefühlt aus allen Ecken sprangen kontaktfreudige italienische Männer heraus und machten lautstark und bewegungsintensiv ihre Aufwartung. Sie führten sich auf wie Wespen am letzten Herbsttag. Für den nervösen Haufen war ich für einige Minuten wie das einzig verfügbare Stück Kuchen. – Modell Kirschsahneschnittchen. Heute hieße das sicherlich zu Recht Belästigung. Aufdringlich war es auch damals, aber meine Freundlichkeit genauso fehl am Platz. Wer fährt ohne Helm mit dem Motorrad durch einen Schwarm Eintagsfliegen und lächelt? Es war kein Durchkommen möglich. Ich ging zurück zu meiner Familie, zog mein Kind an, nahm es an die Hand und wir hatten freie Bahn. Dieselben Männer riefen anerkennend und mit noch mehr Begeisterung: „La Mamma“, und alles war in Ordnung. Wir gingen zum Hotel und wieder zurück. Damals, als junge Mutter, war ich nicht alleinreisend, aber bekam einen ersten Eindruck dessen, dass nicht jede Frau zu jeder Zeit lautstarke Komplimente und drängende Nähe mag.
„Ach, und du hattest hier ein kleines Spielzeug-Segelboot, kannst du dich daran noch erinnern? Und als du größer geworden bist, hast du uns hier mit dem Elektroboot vor dem Hafen auf und ab kutschiert. Hach. Am liebsten hast du Spaghetti Bolognese gegessen in der … Da sieh einmal! Das war unser Hotel. Direkt an der Straße.“
„Cool war der Tresen in der Pizzeria, der wie ein Schiffsrumpf aussah.“ Mein Sohn hatte sich an den Gedanken gewöhnt, über seine Kindheit vor seiner Verlobten zu sprechen. Und wie er nun einmal ist, fand er auch durch Garda fahrend, keine Hemmschwelle des guten Geschmackes. „Am allercoolsten war aber, als Dad der Weisheitszahn hochgegangen ist. Die Backe schwoll ihm an. Er konnte nichts mehr beißen, fluchte und ging mit mir dahinten zum Zahnarzt.“ Junior zeigte Richtung der links abgehenden Straße. „Ich weiß nicht, warum er mich mitgenommen hatte. Fünf Stufen Außentreppe hoch und links rein. Wie alt war ich? Sieben, acht, egal. Auf jeden Fall war es ein Pferdedoktor. Er verpasste meinem Vater die große, schon bereit liegende Spritze mit dem Riesenglaskolben. Mann war das ein Kaliber. Die dicke Kanüle wurde nicht gewechselt und mit einer Tankfüllung der Spritze hatte er wohl das ganze Dorf einen Monat lang versorgt. Die stand einfach aufrecht im Wasserglas. Vielleicht war es auch Grappa, worin sie stand. Hoffe ich mal. Ist ja nichts passiert. Jedenfalls hat er dann gut gelaunt den kompletten Zahn ausgegraben. Das war ein Riesending.“
Junior zeigte seiner Verlobten mit Daumen und Zeigefinger eine unfassbare Zahngröße. Tatsächlich stimmte es. Der Zahn mit den Wurzeln und Teilen vom Kieferknochen war ein Monster.
„Katja, mein Vater hatte den Zahn, an dem bei den Wurzeln noch Knochen dran war, jahrzehntelang in seinem Portemonnaie.“
Meines Sohnes Verlobte schüttelte sich.
„Was hast du Schatz? Kaum war das Biest raus, hatte er keine Schmerzen mehr. Warum er den Riesenbrummer aber mit sich rumschleppte, weiß keiner. Scheint ein Trend zu sein. Mutter hat eine Perle zwischen dem Kleingeld.“
„Ich habe sie nicht beim Geld, sondern in einem eigenen Fach. Die Perle bedeutet etwas für mich. Mach Schönheit nicht immer so runter! Wo soll sie sonst hin, wenn ich sie immer dabeihaben will?“
„Ich klebe sie dir aufs Telefon.“
Seines Vaters Sohn. – Da spricht man nichts bewegend Böses ahnend von einer schönen Familienerinnerung und die Mayer-Männer holzen mit irgendetwas blödsinnig Robustem dazwischen. Kaum saß man mit den beiden zu Pflaumenkuchen mit Schlagsahne im Café, erzählten sie, wie Sie aus Versehen deinen Obstbaum zerlegt hatten. ›Hoffentlich hält Junior in Bardolino wenigstens den Mund sauber von Stimmungskillern.‹
„Aaana, Perlen sind schön. Viel besser als alter Zahn.“
›Das sehe ich genauso‹, dachte ich. Der Unterschied war nur, dass ich die Perle nicht überall herumzeigte und sie selbst nicht annähernd so imposant war wie das geschundene, löchrige – jeder Beschreibung mit hässlicher Verachtung trotzende Ding. Bei der Perle von San Marco ist es allein meine schöne Erinnerung an eine seltsame Begebenheit in Begleitung meines Mannes in Venedig. Da war mein Kind bereits erwachsen. Einer ambitionierten Lebensplanung mischen sich zunehmend Rückblicke bei.
Die Seestraße auf der Ostseite des Gardasees war immer wieder für Momentaufnahmen Zeugin der Bewegungen in meiner Familie. Bei der Fahrt am Gardasee entlang dachte ich an die verschiedenen Gründe, in Garda und in Bardolino Zeit zu verbringen. Mehrfach, als mein Kind noch klein war, galt es, auf dem Weg zu unserem damaligen Hauptziel Varigotti, an der italienischen Riviera, einen Zwischenstopp einzulegen. Garda war ideal. Wir probierten es mit der ersten Übernachtung aus Hamburg kommend, auch zweimal am Tegernsee in Bayern. Bei meinen Mann kamen dort Unmengen an Kindheitserinnerungen hoch, weil er eine Zeit dort verbracht hatte. Die kleinen Bruchstücke aus der eigenen Kindheit, die sogar die liebende Ehefrau nicht immer nachvollziehen konnte. Einiges war offensichtlich. – Wie das Flussbett der Weißach, in dem auch mein Kind gerne im klaren Wasser zwischen den Felsen herumsprang. Weniger deutlich trat für mich die Holzmaserung des uralten Bootsschuppens in Rottach-Egern hervor. Auch Junior konnte dem Befühlen von Holz nichts abgewinnen. Wie sollte er auch? Seine kindlichen Erinnerungen liefen in Echtzeit. Er machte es seinem Vater nach, als dieser neben ihm die scheinbar in den letzten zwanzig Jahren unverändert silbrig-verwitterten Grate und Furchen in den Brettern wie früher mit den Fingern abfuhr. Mayer Senior wurde sentimental und Junior neben ihm fand den Schuppen: „Doof!“ ›Holz streicheln‹, wird er gedacht haben. ›Gehts noch? zu Hause tobe ich mit meinem Dackel und dem Zwergkaninchen.‹ Das Karnickel wurde größer als der Dackel und verteidigte SEINE von Menschen für Menschen gemachte Couchgarnitur kratzend und beißend. Meine Mutter kümmerte sich widerwillig um die Meute, wenn wir im Urlaub waren.
In Bezug auf den Wallberg am Tegernsee und dem schnellen Hochwandern – später als Wettbewerb zwischen ihnen – waren sich die ›Männer‹ wieder einig. Die Berge haben es auch mir angetan. Nicht im sportlichen Sinn. Schroffe Natur, Wetterwechsel und das erneute Wundern, wo überall der Mensch hingeht, um aus Gras Heu zu machen, sind für mich sinnliche Momente. Meine Männer waren im Allgemeinen weniger romantisch eingestellt. Bei den Trips mit dem Reiseziel Italien änderte sich der Zwischenstopp auf Orte am Gardasee. Meine Begleitung war dann weniger ein Reiseführer, sondern hauptberuflich die Familie. Als emotionalen Ausgleich – so nennt man es wohl heute, damals lief es unter: ›meine Interessen‹ – hatte ich neben dem Standardprogramm in Erfahrung gebracht, ob ich in nächster Nähe irgendetwas fände, was mich besonders mitnähme. Meistens ist es Naturlandschaft, aber eben auch Kultur. Ich laufe nicht in jedes Museum. In Kirchen kurz reinzuschauen, lasse ich mir nicht nehmen. So manches Mal nimmt es mich nicht mit. Genauso gibt es Kirchenräume, die mich einfach umhauen.
Bardolino, obwohl nur vier Kilometer von Garda entfernt, wurde nicht aus kulturellen oder landschaftlichen Gründen zum neuen Reiseziel der Familie. Ein größeres Hotel hatte dort eröffnet. So simpel kann es geschehen, und wir wurden Garda abtrünnig. Es lagen andere Urlaube in andere Länder dazwischen. Die Standorttreue hatte sich verflüchtigt.
Bardolino
Vor dem Ortseingang von Bardolino steht eine alte Zypresse seeseitig an der Straße. Sie ist riesig, und die Jahre sind an ihrer Gesundheit nicht spurlos vorbeigegangen. – Oder vorbeigefahren, denn der Verkehr scheint sie ergrauen zu lassen. Eher bräunlich und mit den Jahren zunehmend ausgedünnt sind ihre unteren Triebe. Es ist jedes Mal schön, sie wieder und noch zu sehen.
Obwohl wir nicht reserviert hatten, fanden wir noch zwei Zimmer in einem Hotel. Der Weg am Seeufer ist gerade abends eine Einladung zum Schlendern und Innehalten. Die Zeit spielt keine Rolle und jedes Ziel kann warten, wenn es kein Ausflugsdampfer oder ein reservierter Tisch ist.
Die Straße, eigentlich die Piazza Giacomo Matteotti, führt vom Hafen zur kleinen Kirche des vorletzten Jahrhunderts mit dem mächtigen Portikus – der Vorhalle mit den vier Säulen. Die sich wandelnden Bilder in vertrauter Umgebung können gerade am späten Abend beeindruckend klar und voller harmonischer Kontraste sein. Der Himmel sieht wie eine blitzblanke lapislazuliblaue Glasscheibe aus, vor der sich die beleuchtete Kirche und die in Pastellfarben gestrichenen Häuser der Straße wie verschiedene Ebenen abheben. Die Menschen wuseln, shoppen, flanieren, essen und trinken in einer minimalen, doch prachtvoll arrangierten Kulisse. Auch morgens durch den Ort zu gehen, wenn die Geschäfte langsam öffnen und das Klirren von Glas vom Leeren der Container statt eines Hahns den Weckruf übernimmt, hat Qualitäten. Am tollsten aber fand ich als eines Abends – es wurde gerade dunkel – auf der anderen Seeseite Richtung Mailand ein unglaubliches Sommergewitter losbrach. Die Blitze peitschten durch die fast schwarze Wolkendecke, die an einigen Stellen aufgerissen war. Ich saß selbst im Trockenen und in der ersten Reihe. Auch über mir war es düster, aber es bestand kein Regenrisiko und hatte genau diese Teilnahmslosigkeit, die ein Zuschauerraum braucht, damit man fokussiert das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen kann.
Mit meinem Sohn und meiner Fast-Schwiegertochter war ich zum ersten Mal allein in Bardolino. Klingt irre, aber ich war frei von Aufgaben. Das junge Glück war beschäftigt. Sie gingen ihre eigenen Wege. – Und ich fragte mich, was ich an diesem Ort sollte, den ich alleinreisend wahrscheinlich nie besucht hätte. Mit Mann und Kind war das der klassische Familienurlaub. Mit dem erwachsenen Kind war ich auch noch zweimal dort, weil wir zuvor München wegen eines geplanten Umzugs besuchten. Wir machten erinnernde Abstecher in vergangene Zeiten. Einmal passte es, weil mein Sohn einen zusätzlichen Termin in Mailand hatte. Die beiden Male mit meinem Sohn allein in Bardolino waren sehr ähnlich. Morgens frühstücken, dann beim Cappuccino vor der Kirche eine kurze Tagesbesprechung zu den drei W: ›wohin? was? wie lange?‹ dann ging es entweder um den See herum oder nach Verona, in einen der anderen Orte am See – und einmal nach Brescia. Bei unserer letzten gemeinsamen Fahrt fuhr er die Via Panoramica in Malcesine den Monte Baldo hinauf. Es war ungewöhnlich für mich, denn dort oben war ich zuvor noch nie. Auf der kurvigen Straße kam uns ein junger Bauer mit seiner motorgezogenen Pritsche entgegen. Er grüßte mich so selbstverständlich, als hätten ich und die Nachbarschaft ihn gemeinsam großgezogen und als würde ich am Abend für alle kochen. Das war kein ›Guten Tag‹, sondern ein ›Bis später‹. Mein Sohn begann zu lachen. Er hatte es gesehen. „Es ist nicht zu fassen.“
„Was?“
„Der Bauernsohn, der aus seinen Weinstöcken kam.“
„Was war mit dem?“
„Wie er dich gegrüßt hat – das ist doch nicht wahr.“
„Wieso, ich habe auch gegrüßt.“
„Irgendetwas stimmt mit dir nicht. Du wirst überall als Einheimische gesehen, obwohl du Tourist bist. Und ich bin der geduldete Idiot daneben. Wie machst du das?“
„Wieso? Was soll mit mir nicht stimmen, wenn Sie dich für einen Idioten halten?“