Schatz und Schaaatz
Lüneburg
♥
„Ich liebe dich!“,sagte mein Sohn ständig. „Ja tebja ljublju“, sagte Katja entsprechend. Er antwortete wieder mit:„Ja teppja luppluh.“ Sie gab es ihm mit: „Isch libbe disch“, herzlich zurück.
In Lüneburg lief es wie am Schnürchen. Katja kannte sich aus und fühlte sich wie zu Hause. Mein Sohn und sie schlenderten händchenhaltend zur Ausländerbehörde und zum Standesamt, um sich zu informieren. Unabhängig von den Gesichtsausdrücken anderer Beteiligter gingen die beiden ihren Weg ins Glück unbeirrt weiter. Wie mir viel später zu Ohren gekommen ist, spielte auch die proaktive, ergebnisorientierte Familienplanung inklusive Arztcheck eine Rolle. Sie überließen nichts dem Zufall. Der Alltag hatte uns kurz wieder unter seine Fittiche genommen. Mein Sohn arbeitete. Seine zukünftige Ehefrau akklimatisierte sich. Auf einem Grillabend bei Freunden übergab ich meiner angehenden Schwiegertochter meinen eigenen Verlobungsring vor versammelter Mannschaft. Sie sollte wissen, dass sie willkommen ist. Genauso sollte unser Umfeld begreifen, dass die Würfel gefallen waren und damit aufhören, sich kreative Gedanken zu machen, ob das gut gehen könne. Ich hatte am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn man keinen aus dem heimischen ›Stall‹ heiratet. Die schnellen, gut gemeinten Ratschläge sind meistens umsonst. Niemand außer dem Paar selbst würde dafür bezahlen, wenn andere es schafften, ihnen das Glück auszureden.
Zwei Tage vor der Abreise nach Italien saßen wir gemeinsam unter dem Ahornbaum in der Kneipe von Freunden in der Schröderstraße. Wir freuten uns auf die Reise, wobei ich mich am meisten mit Katja fieberte. Sie wirkte cool, aber ihre Oberlippe vibrierte leicht beim Gespräch über verschiedene Reiseziele. Mein Sohn, bei dem die Fahrt zum Baggersee schon ein ausgedehnter Strandurlaub ist, würde umdenken müssen und sich anpassen.
„Und seid ihr so weit fertig? Alles für die Fahrt vorbereitet?“, fragte ich mehr plaudernd als forschend.
„Jupp! Nur noch flott die Koffer packen“, antwortete Mayer Junior. „Alles im Lot. Alles im Plan.“
„Dein Wagen hat hoffentlich noch TÜV?“
„Bestimmt“, sagte er zögerlicher, als mir lieb war. Sein Blick in den Fahrzeugschein genügte. „Jupp, geht noch", und ich war erleichtert.
„In Fenster von Auto ist Loch – großes Loch. Er weiß es“, sagte Katja zu mir. „Schatz, ich denke, du brauchst es vielleicht nicht, wenn es wird noch größer“, wusste sie dann ihrem Schatz den Weg zur Entscheidung zu erleichtern.
„Ein Loch? Wo?“, interessierte mich.
„Windschutzscheibe, Steinschlag, halb so wild. Damit kommen wir locker durch, wenn ich nicht mit Vollgas über kaputte Straßen rase.“
›Er macht das so hübsch‹, dachte ich. ›Das Bild einer kaputten Windschutzscheibe mit einer irren Jagd über Stock und Stein zu überblenden, beeindruckte mich wenig. Mayermäßig zauberte er ein Gegengewicht, um die Balance an Blödheiten als harmonisch hinzustellen.‹ Im Ergebnis sagte er nur, dass er meinte, es könnte gut gehen. Darauf wollte ich nicht wetten und forderte ihn zur sofortigen Handlung auf. Stattdessen wettete ich, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde – und verlor.
Rücksitze, Rückbänke oder wie in vorliegendem Fall unserer Italienreise, eine Rücksitzbank – es war bei Junior eine zweigeteilte Sitzkombination zum Klappen – sind meine stille Leidenschaft. – Im Taxi sitze ich gern hinten. Bei einem Profi mitzufahren verlangt nicht meine Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr. Besonders abends durch eine Stadt chauffiert zu werden und mit den Lichtern die Gedanken vorüberziehen zu lassen, hat was. Auf Familienausflügen oder Reisen wird mir hinten schlecht und ich habe das Gefühl, im nächsten Moment in den Kindersitz gesteckt zu werden. Wichtiger war mir aber, dass mein Sohn den Kopf nicht ständig bei der Fahrt für Liebesbekundungen umdrehte, wenn Katja auf dem Rücksitz säße. Ein „Ich liebe dich“ an der falschen Stelle zur falschen Zeit und die Liebe wäre mitsamt der Nicht-mehr-fast-Schwiegermutter auf einen Lkw geknallt oder einen Abhang hinunter gekegelt. ›Egal, es wird ja nicht auf der ganzen Fahrt so sein. Wenn er sich beruhig hat, werden die Plätze auch mal getauscht‹, dachte ich – und es war schon wieder ein Irrtum.
Wir gurkten in einer Tour runter zum Gardasee. Sicherlich werden wir irgendwann auf einer Raststätte etwas gegessen haben, aber ich erinnere das nicht mehr. Wir fuhren ab und kamen dann zwischen Riva und Torbole aus den Hügeln.
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