Essen mit Familie
Minsk
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Nun würden wir endlich die zukünftigen Schwiegereltern meines Sohnes kennenlernen. Hierzu hatte ich in ein Restaurant ihrer Wahl eingeladen. Die Einrichtung war wie die Karte: gediegen, gut bürgerlich, Hausmannskost. Große Teller, große Portionen. Beilagen waren weniger im Fokus der Gastronomie. Der Schwerpunkt lag auf Fleisch. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass es unappetitlich aussah. Es war eben nur viel totes Tier – üppiger aufgetischt als auf einem geordneten Fernfahrerteller. Aber wir waren ja nicht da, um zu testen, durch welchen Anblick ich wieder auf vegetarische Ernährung umstellen würde. Es ging um mehr. Das Mehr befand sich nicht auf dem Tisch, sondern saß an diesem. Neben dem Paar waren es Katjas Mutter, ihr Stiefvater und ihre Brüder. Die Zwillinge waren einer, wie der andere. Freundlich, klug, aufgeschlossen – solange sie sich nicht übers Essen hermachten. Ihr Stiefvater gab sich bemüht unterhaltsam. Er lachte viel und ich verstand nicht, worüber. Ihre Mutter war selbstbewusst, kräftig und nicht zu unterschätzen. Ich indes war verliebt – in meine zukünftige Schwiegertochter. Sie saß besonders akkurat am Tisch und aß sehr wenig, sehr ruhig mit spitzen Lippen und behielt den Kopf oben. Der angeheiratete Vater schien perfekt in die Familie zu passen. Mein Sohn ist auch kein Kostverächter, aber selbst ihm erschien die sehr praktische Art der Zuwendung zum Essen etwas ungestüm. So bodenständig es war, unterbrach es das Gespräch und tatsächliche Anliegen gingen in genüsslicher Heiterkeit unter.
Ich komme damit klar. Es war nicht das erste Mal, dass ich die Nahrungsaufnahme rustikal erlebt hatte. Das Timing passte mir nur nicht besonders. Gegessen wird auf der ganzen Welt von Tisch zu Tisch unterschiedlich. Deutlich heftiger war es in einem Nobelrestaurant, einer weltbekannten Bar in Venedig.
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