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Mit dem Radlader ins Hotel

von Marc Krautwedel

Kapitel 12: Lost Nuggets

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Lost Nuggets

Lost Nuggets

Dubai

Die Firma in Sankt Petersburg hatte ich immer noch an der Backe. Zum Glück war es nur eine Lizenz und keine Niederlassung mehr. Etliche Unternehmen waren interessiert daran. Allesamt waren sie nicht offenkundig im Auftrag der Russischen Föderation unterwegs. Am interessantesten war ihre aggressive Verhandlungsweise auf einem Meeting in Dubai. Mein Sohn hatte mich zum Verhandeln geschickt, weil er das Fliegen hasst. Außerdem ging er wohl davon aus, dass da in jedem Fall nichts bei rauskäme. In der Verhandlung saß sich neun russischen Funktionären gegenüber, die mich im Kaufpreis drücken sollten. Sie kannten kein Erbarmen und wurden beleidigend. Etwas Frauenverachtung war auch dabei. Die Beleidigungen interessierten mich eigentlich nicht, außer dass ich es als ausgesprochen unhöflich empfand und es als schlechtes Benehmen wertete. Die Nummer lief aus dem Ruder. Das war das einzige Problem. In einer Verhandlungspause rief ich meinen Sohn an.

„Hallo, ich bin’s. Ich habe nicht viel Zeit.“

„Was tuschelst du so?“

„Ich bin auf der Damentoilette.“

„Bist du eingeschlossen? Dann solltest du jemanden rufen.“

„Nein, ich kann draußen nicht telefonieren, die stellen sich so hin, dass sie mithören können. Sie sagen zwar, sie können kein Deutsch, aber ich glaube Ihnen nicht.“

Mein Sohn lachte, weil es, wie er mir später sagte, für ihn nach einem schlechten Agentenfilm klang.

In diesem Moment hielt ich seine gute Laune für völlig unangebracht. „Die sagen, der Preis ist zu hoch.“

„Klar sagen die das. Sitz es aus.“

„Die drohen mir und beleidigen mich.“

„Was tun die?“

„Das sind neun Männer. Sie schwitzen. Gestikulierend reden sie auf mich ein.“

„Dann geh nicht mehr rein. Mach irgendwas Schönes.“

„Ich will aber. Wir haben doch ein Ziel. Und es ist lustig, wie sie schwitzen.“

„Die Verhandlung ist gelaufen. Da kommst du nicht weiter. Aber wenn du Spaß hast, sag ihnen, dass sie sich benehmen sollen, sonst erhöhst du den Preis mit jeder Unhöflichkeit. Und mach es auch. Nicht auf einen Zettel schreiben; knallhart und laut raufgehen und die neue Summe sagen.“

„Und wie lang soll ich das machen? Wie hoch soll ich gehen? Und wann soll ich wieder auf den alten Betrag runter?“

„Bis sie sich benehmen oder gehen. Du gehst gar nicht mit dem Preis runter. Spiel mit ihnen. Lass sie wie Schuljungen nach Hause fahren und berichten.“

„Und was machst du dann?“

„Überhaupt nichts. Warten. Die Nächsten schicken Sie zu mir her. Von dir haben Sie die Nase voll. Wie war dein Tag sonst?“

„Gut so weit. Tschüss, ich melde mich nachher.“

›Tja, mein Tag in Dubai war gemischt. Schön, alles einmal gesehen zu haben. Am Tag vorher war ich in der Altstadt von Abu Dhabi und auf dem Markt. Das hatte mir besser gefallen als die Mall und die aus dem All erkennbare, sandgeschüttete Palme. Ich war zwar auch kurz in dem riesigen Hotel, das vielleicht an ein geblähtes Segel erinnern soll, aber ich laufe nicht gern in Hotelhallen rum, wenn ich dort kein Hotelgast bin.‹

Auf dem Flur vor dem Toilettenbereich kam gerade ein anderer Delegierter aus dem Herren-WC. Er zog sich am dünnen Gürtel die Anzughose vorne hoch und in den Schritt, grinste den zuständigen Toilettenmann, der an einem Tischchen saß, an und sagte ihm lachend: „I lost my nuggets.“

Das war genau das, was ich brauchte: alte, elegante Kerle, die sich in den Schritt fassen und über ihr Gekröse reden.

Zurück im Verhandlungsraum fragten meine Verhandlungsgegner, ob ich mich mittlerweile abgestimmt hätte und einsichtig zeigen würde. Ich wiederholte den alten Preis und sie gingen sofort an die Decke. Dass ich nichts vom Geschäft verstünde, ließ ich durchgehen. War ja auch so. Der ergänzende Hinweis allerdings, dass sich selbst für eine Frau erschreckend unwissend sei, wird von keiner Frau gerne gehört. Dazu muss man nicht Feministin sein. Jetzt wurde es teuer. – Zumindest im Spielgeldmodus, in den ich mich versetzte, weil ich den Preis erhöhte. In größter Ruhe erklärte ich ihnen den Grund für die Erhöhung und die neuen Spielregeln für diese Verhandlungsrunde. Zwei-, dreimal testeten sie es aus. Entweder wollen Sie wissen, ob ich es ernst meinte oder sie waren neugierig, in welchen Stufen ich erhöhen wurde. Ihr Wissensdurst wurde befriedigt. In Rage wird die Luft dünner. Und ihnen ging sie aus. Ich bin kein guter Verhandler. Das Annähern, wie es wohl zu den Gepflogenheiten auf einem orientalischen Basar gehört, ist nicht meine Stärke – weder als Käufer noch als Verkäufer. Dieses Mal allerdings hatte es mir Spaß gemacht. Eines musste ich Ihnen lassen: Sie verabschiedeten sich höflich. Keiner der Herren war bei späteren Besuchen dabei, wenn neue Anläufe kamen und direkt mit meinem Sohn in Hamburg und Umgebung gesprochen wurde.

So eigenständig, wie er es sagte, kam Sascha aus Minsk vielleicht nicht zu uns. Er betrieb das Schwesterunternehmen der Organisation dort und wollte die Lizenz für Sankt Petersburg von mir haben. Ob es tatsächlich sein Anliegen war oder ob er vorgeschoben wurde, ist einerlei. Im Hauptberuf machte er, wie er sagte, irgendwas mit Halbleitern und Nanotechnologie. Sein zu besteuernder Wohnsitz war – auch wie er sagte – in der Schweiz. Das Erstgespräch führte Junior allein mit ihm und seinem Direktor. Wie mein Sohn mir später erzählte, fragte Sascha ihn, ob er verheiratet sei.

„Nein.“

„Warum nicht?“ Da es dafür scheinbar keinen triftigen Grund gab, nahm Sascha das Ruder in die Hand und sagte: „Eine Mitarbeiterin von mir würde zu dir passen. Ich möchte, dass ihr euch kennenlernt. Komm nach Minsk.“

Mein Sohn lehnte ab.

„Ich bin häufig in Deutschland, in Köln und Düsseldorf. Meine Angestellte kommt auch mit, weil sie Deutsch spricht. Sie ist unsere Dolmetscherin.“

„Deine Sache“, soll Junior gesagt haben. Der Ton passt zu ihm.

Und dann kamen sie tatsächlich. Sascha, seine Frau, ein Mitarbeiter und Katja. Sie waren vorher bei eben jenen gemeinsamen Geschäftspartnern in Köln. Zumindest für uns waren es nur Gesprächspartner. Wir luden die weißrussische Truppe nach Lüneburg ein, und wir aßen gemeinsam bei unseren Freunden, die draußen ›meinen‹ Ahornbaum hatten, im Restaurant. Die Ehefrau des Wirtes war Russin. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, sich zu den vier Köchen zu stellen und russische Küche zu zaubern. Der Abend war nett. Es ging überhaupt nicht ums Geschäft. Zuvor wurde verhandelt und es kam in die mögliche Nähe von grundsätzlichen Einigungen. – Die Nummer war so vage, dass die Süßholzraspelei einen bitteren Beigeschmack hatte. Schon vor dem Essen kam es auch zu Annäherungen zwischen meinem Sohn und Katja. Sascha besuchte uns noch einmal mit seiner Frau nach Lüneburg, aber da war Katja zu uns bereits eine Woche vorausgeflogen. Es musste Liebe sein.

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