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Wohnbau Ch Speck

"Mit Speckbau fängt man Mieter."

"Mit Speckbau kann der Winter kommen!"

Das sind nur zwei der wortgewaltigen, eloquenten und sich sensibel am Zeitgeist orientierenden Werbeslogans eines Unternehmens, das als ein alteingesessene Traditionsfirma, seit sechs Jahren schon in zweiter Generation das Münchner Umland und mittlerweile auch die Stadt München selbst mit ihrer kostenoptimierten Baukunst verunstaltet. Die Geschichte ist eine typisch deutsche Erfahrung von Flucht, Aufbau und Nachfolge in den zuvor geschundenen Knochen. Es war weder viel Zeit, noch ein außerordentliches Interesse an Kultur, Bildung oder gar Humanismus vorhanden. „Wichtig ist auf dem Teller.“ Mit den Jahren hat es die Familie zu ansehnlichem Wohlstand gebracht, was sie jedoch im Kern nicht veränderte, aber ihren Meinungen und Thesen – zu jedem erdenklichen Thema –  eine größere, als Masse lieb gewonnene Zuhörerschaft erspielt hat. Die Familie besteht aus dem alten Vater, einem kleinen, fast glatzköpfigen Kerl. Untersetzt besserwisserisch, kulinarisch – nicht ästhetisch  mit dem Anflug der Einbildung, dass er eigentlich Architekt sei. Seine Frau tritt kaum in Erscheinung. Als hätte sie ihre Identität an der im Baumarkt geschossenen Restposten-Eingangstür an den Nagel gehängt. Das Ehepaar hat zwei Söhne. Der ältere hat gerade den Laden übernommen. Formal ist es schon sechs Jahre her aber faktisch hat der Alte noch das sagen. Der älteste Sohn ist auch eingeschüchtert wie die Mutter, und nicht zuletzt aufgrund des an einer Hospitalisierung grenzenden Bildungsniveaus und eines chronischen Kommunikationsnotstandes, vermittelt er bei seinen angestrengten Sprecheskapaden den Eindruck, als versuchte er, karpfenartig zunächst die Wolldecke aus dem Maul zu ziehen, während er nach Worten ringt. Sein jüngerer Bruder ist aus anderem Holz. Er spielt Golf, arbeitet nur ein wenig in der Firma und juxt stattdessen durch die Gegend. Daraus, dass auch er kein intellektuelles Highlight ist, macht er keinen Hehl. Anders sein älterer Bruder Christoph. Nun heißt er auch noch Christoph und muss ausgerechnet seinen Vornamen um die alteingesessene Firma Speckbau, wie er sagt, namenstechnisch nutzen, um es sinnlich zu entschärfen. So ziemlich das Gegenteil ist passiert. Gesagt hatte es ihnen noch keiner und so fahren sie bestens gelaunt in ihren Limousinen mit ihrem Firmennamen als Schriftzug. Stolz und uneinsichtig. Uneinsichtig, weil es ihre Art ist, andere Meinungen zu ignorieren und auf ihre Meinung und ihren Geschmack, den sie für vortrefflich halten, zu vertrauen. Dies sind die Geschichten einer Familie, die manchmal, nur manchmal, nicht peinlich ist.

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