Kapitel 5: Bandenkrieg mit Barbie
Zuhause Bandenkrieg mit Barbie Bandenkrieg mit Barbie Dorfleben, Landkreis Harburg Ein Makel beim Verwöhnen war natürlich, dass Junior dabei seine Grenzen nicht kennengelernt hatte. In frühen Jahren waren ihm Besitztümer egal und er teilte alles. So erklärte mir ein entfernter Nachbar im Dorf: „Nein, das ist jetzt unser Kettcar. Dein Sohn hat es vorhin meiner Tochter geschenkt.“ Es gab Situationen, da nahm ich auch nicht darauf Rücksicht, dass die Eltern des beschenkten Kindes ein wenig sehr rückständig waren. Manchmal ist eine Frage der Haltung, die dann eine vierundzwanzigjährige Mutter in Sekundenschnelle als Dorfälteste mit Kraftüberschuss wirken lassen. Muttertiere können sauer werden. Als mein fünfjähriger Sohn allerdings eine Plastikpistole wünschte, weil er mit seinen Freunden, die alle bereits eine hatten, ›Rinderhirten und festlandamerikanische Ureinwohner‹ spielen wollte, verweigerte ich die Wunscherfüllung. Haustiere können sterben, Menschen können es genauso. Das wusste er in der Sache als endgültig einzuschätzen. Dass es jedem passierte, war ihm technisch klar. Mit fahrenden Autos sollte er sich nicht anlegen. Den Tod als Kinderspiel von Sieg und Niederlage aktiv zum Spielziel zu erklären, halte ich nach wie vor für falsch. Etwas eigentümlich und vielleicht darüber hinaus auch noch bescheuert, war mein Gegenangriff: Ich kaufte ihm anstatt einer Knarre eine Barbiepuppe. Junior staunte nicht schlecht. Genauso betroffen wirkten seine Freunde. Als wäre mit der Puppe ein Virus auf die Insel der Männerfreund- und -feindschaften gelangt. Die Fünfjährigen waren in zwei einander ›feindlichen‹ Banden organisiert und bewarfen sich mit Speeren aus Holunderzweigen, wenn sie sich nicht alle von ihren Heldentaten berichteten. Ich war nur froh, dass im Dorf Unmengen an Holunder wild wuchs und die Knirpse sich nicht auf Bauschutt zu einigen wussten. Sie hatten viel Mist gebaut. Kleinen Mist. Sie als Gangs zu bezeichnen und zu behandeln hätte die Knirpse verwirrt. Ihre Hauptbeschäftigung war das Abhauen. Jeder im Dorf sah sie rumflitzen. Wie zwei wilde Herden Jungvieh konnte man sie zur Essenszeit dirigierend durchs Dorf schimpfen. Seine Bande traf sich oft auf dem Mini-Bauhof neben dem Haus, in welchem unsere Wohnung war. Junior mit der Barbie dazwischen. Über Spätfolgen bin ich mir nicht im Klaren, zumindest hinterließ es keinen akuten Schaden, weil er es verstand, deutlich zu vermitteln, dass es nicht seine Idee war. Es hat mich wenig gestört, von einer Horde fünf- bis siebenjähriger milde belächelt zu werden. Die Puppe war strapazierfähig. Alle Belastungstests hielt auch sie nicht aus. Ausschließlich handelte ich gegen meine Überzeugung und besorgte ihm eine Erbsenpistole. Das aus Munition neues Leben entsteht, gibt ein schönes Bild ab. ›Der Vollstrecker ist gleichsam Schöpfer‹. Tatsächlich reduziert die Keimfähigkeit unbehandelter Geschosse die Haltbarkeit des Nahrungsmittels. Dass ich die Projektile im Reformhaus gekauft hatte, wäre glatt gelogen. nächstes Kapitel Meinungen Landleben oder Stadtleben? Kinderspiel als Waffeneinstieg? …
Kapitel 3: Lesen mit Hindernissen
Zuhause Lesen mit Hindernissen Lesen mit Hindernissen Zuhause Mit den Comics des Unterhaltungskonzerns hatte ich ihm einige Jahre zuvor das Lesen beigebracht. Ich hatte es aufgegeben, es auf die klassische Weise zu versuchen. Es funktionierte nicht – weil er nicht wollte. Das Lernen mit Bilderbüchern war nicht sein Ding. Zu wenig Text und kaum Handlung. Ob da etwas gut oder süß gemalt war, interessierte ihn nicht die Spur. Auch die Kombination aus Fragen und Wimmelbildern war nicht spannend. Bücher ohne Abbildungen empfand er aus umgekehrtem Grund bescheiden, also ›doof‹. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ich hatte die Lust verloren, mit ihm darüber zu diskutieren, ob die Befähigung zum Lesen im Allgemeinen von Vorteil sein könnte. Er wollte sich stattdessen im Dreck austoben oder Mutproben mit den Kumpels durchziehen. Stundenlang im Mühlenbach stehen, um dann zu behaupten, fast eine Forelle gefangen zu haben – mit der Hand versteht sich – reizte ihn mehr. Also gab ich ihm Comics. Er wollte, dass ich sie ihm vorlese. Die Rabenmutter verweigerte die Leistung. Von da an ging es rasend schnell. Wenig später kam sein Grundschullehrer zu mir. „Frau Mayer, ihr Sohn kann ja lesen. Er macht das richtig gut und liest gern. Wie haben Sie das in der kurzen Zeit hinbekommen? Welchen pädagogischen Plan haben sie verfolgt? Belohnung?“ „Micky Maus. Er hat jetzt auch seine wöchentliche Illustrierte und besteht darauf. Das als Leidenschaft zu werten, halte ich für verfrüht. Er kann es und morgen kann er es nicht mehr oder er verliert das Interesse. Er ist ein Mayer.“ „Ich bin auch ein Meier“, sagte der Lehrer Meier mit ›E I‹. Natürlich wurden die Comics Junior bald zu langweilig und wir führten ihn an Bücher heran. Das ging dann einfach. Die Brücken waren gebaut. Lesen konnte er. Anlässe, gleichberechtigt bei den Erwachsenen mitzumischen gab es mindestens einmal die Woche. Wir hatten wenig Geld, aber wir Eltern waren beide Raucher. Gleiches Recht für alle. Der Gegenwert einer Schachtel Zigaretten war damals ein Spielzeugauto. So bekam jeder in der Familie etwas Gleichwertiges. Mein Mann fuhr samstags mit dem Kind ins nächste Dorf zum Brötchenholen. Danach ging es ins Schreibwarengeschäft, das auch Spielzeug und Kinderbücher im Sortiment führte. Zunehmend wurden es bei Junior die Bücher statt der Autos. Das lag nicht zuletzt an einem schon beachtlichen Fuhrpark, der beim Anblick Besitzerstolz hervorrief, aber zugleich für eine Sättigung sorgte, weil die Sammlung im Ganzen schwer zu bespielen war. Ich bin Leserin aus Leidenschaft, tauche in Geschichten ein und erfahre etwas über Zeiten, Orte und vor allem Menschen. Auf der Welle der Lesebereitschaft meines Kindes hatte ich später mit dem Versuch, ihn an Literatur heranzuführen, ein klein wenig übertrieben. In der Phase, als er Bücher las, wo zum Beispiel ein pummeliger Junge einen Propeller auf dem Rücken hatte, versuchte ich etwas. Ohne Vorwarnung jubelte ich ihm Werke über Sklaverei, Rassendiskriminierung und soziale Notstände in verschiedenen Ländern unter. Junior roch den Braten, zog es dennoch durch und kommentierte altersgemäß: „Warum soll ich mit erfundenen Problemen wildfremder Leute meine Zeit verbringen?“ ›Vielleicht liegt er richtig‹, dachte ich damals. ›Aber nur, wenn er später die realen Verzweiflungen und deren Ursachen kapiert, auch ohne es sich erlesen zu haben. Das Risiko gehe ich nicht ein. Was soll ich machen? Er kann lesen. Die Schule wird es fordern.‹ Praktisch konnte er antizipieren. Als es in der dritten Klasse Noten gab, verhandelte er mit dem Rektor. Er sagte er ihm auf dem Schulhof, er möge bei einem Klassenkameraden Milde walten lassen, da der sonst zu Hause eine ›gescheuert‹ bekäme. Sein Urteil über ›Problembücher‹ färbte auf die gesamte Belletristik ab. Er legte eine komplette Lesepause ein. Von dem Schock, dem eine ernüchternde Erkenntnis folgte, schien er sich nie ganz erholt zu haben. Bücher über Mikrobiologie waren sein Trost. Wir sind verschieden. nächstes Kapitel Meinungen Lesen lernen? Unterhaltung? Anspruch auf Information? Muss etwas Fantasy sein, um die Fantasie anzuregen?
Kapitel 2: Nichtflieger
Ibiza Nichtflieger Nichtflieger Ibiza In Nachtzügen zu fahren war nichts Neues. Zweimal ging es runter bis nach Lörrach, um dann mit dem Auto den Familienurlaub in den Süden anzutreten. Autoreisezüge waren damals üblicher als heute. Wir hatten auch andere Varianten probiert, die mehr im Trend lagen. Die Autobahn nachts zu befahren, weil sie freier ist, mag seinen Reiz haben. Ein Ehemann mit angestrengten Nerven und aufgerissenen Augen am nächsten Morgen machte dem Wort ›Urlaub‹ keine Ehre, egal, wie stolz er auf seine Kilometerleistung war. Ich bevorzugte, Reiseproviant vorzubereiten. Dann ein gemächliches Gondeln, um dort anzuhalten, wo es uns gefiel und Pausen einzulegen. Das Kind konnte rumlaufen und der Fahrer sich erfrischen, entspannen und die Beine vertreten. Einmal donnerten wir von Barcelona mit Tag- und Nachtzügen bis Hamburg. Das waren auch etwa sechsundzwanzig Stunden – über Genf. Es ging nicht anders. Als wir nach unserem Ibiza-Urlaub auf dem Flughafen Barcelona landeten, gab es einen Pilotenstreik. Damals war es fummelig, die richtigen Zugverbindungen zu finden, um nicht noch länger dort auf dem Terminal festzusitzen. Aber verdammt egal. Ich war jung und mein neunjähriger Sohn hatte sich schon auf dem Airport bestens amüsiert – unabhängig von den gesprochenen Sprachen. Meistens redete er. Im Zug hatte er Freude daran, Zuckerpäckchen zu sammeln, bis er alle Tierkreiszeichen zusammengesucht und geschnorrt hatte. Wir hatten unseren Spaß und gute Unterhaltung in einem Sechserabteil mit anderen Urlaubern, deren Flüge abgesagt worden waren. Die Ibiza-Reise in einen Ferienklub, dessen Kette den sinnbildlich falschen Namen eines vereinsamten Schiffbrüchigen trägt, war diejenige, bei der meinem Sohn mulmig im Flugzeug wurde. Nun war es ausgerechnet unser erster Flug. „Kapitän Juan begrüßt sie an Bord.“ Bei allen Fluggästen schmerzten die Ohren, und der Druckausgleich funktionierte nicht. Juan benötigte zwei Anflüge und hatte drei Hüpfer beim Aufsetzen für die Landung. Auf eine Robinsonade wäre bei dem Unterhaltungsprogramm im Klub niemand gekommen. Für das Kind war es ideal: Sport, Spaß, Kreativität und Wettbewerbe. Dazu eine riesige Poollandschaft, Aufsichtspersonal und Animateure. Die Buffets hatten alles, waren lange aufgebaut, und es gab keinen Schichtbetrieb in den Speisezeiten. Mein Mann fand schnell Anschluss und wir hatten sogar gemeinsame Bekanntschaften. Insofern war es für mich ideal. Erholung pur – und die Familie beschäftigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Damit war das Gesamtpaket als üppiger Luxus zu bewerten. Kostspielig genug war die Reise auf jeden Fall. Juniors Vater ignorierte jegliche Bedenken, und mit der Buchungsbestätigung kam die Kapitulation. ›Nützt nichts. Durch da!‹ hatte Auswirkungen auf meine Haushaltsführung, aber nicht auf die Stimmung. Nach dem Aufstehen gingen wir von unserem Ferienhaus in die zentrale Klubanlage. Auf dem Weg dorthin, begleitet vom mediterranen Zirpen der Grillen, umgeben von Olivenbäumen, Pinien und prächtig blühendem Oleander, war der erste Abstecher von fünf Metern allmorgendlich der kleine Klubshop. Immer das Gleiche. Für meinen Mann eine Zeitung, ich nahm eine Illustrierte, die er später länger las als ich, und Blondschopf ›Eisenherz‹ Mayer, sein Sohn, zog ein angeblich lustiges Taschenbuch aus dem Drehständer. Ich schnitt ihm selbst die Haare. Die Eisenherz-Frisur verpasste ich ihm über fünfzehn Jahre. Vielleicht bin ich die einzige Person, die es so ohne Topf hinbekommt. nächstes Kapitel Meinungen Und? Flugangst, Unwohlsein, Reisefieber oder ist es wie Busfahren?
Kapitel 1: Schwiegertochter? – Alarm!
Willkommen auf meinen Reisen Lüneburg Minsk Schwiegertochter? – Alarm! Schwiegertochter? – Alarm! Lüneburg ♥ „Mum, ich werde Katja heiraten.“ „Was?“ Es war ein schöner, bis zu diesem Moment spannungsarmer Tag im April. Wir saßen in der Schröderstraße von Lüneburg unter einem Ahornbaum mit lichtgrünem Laub. Unser Tisch gehörte zu den Außenplätzen einer Kneipe von Freunden. Sie betrieben das Lokal voller Leidenschaft mit der gesamten Bagage. Alle packten mit an. Sie gingen sich nur bewusst aus dem Weg, wenn es Gegenverkehr im Laden gab. Meine Familie ist überschaubar, was es nicht zwingend übersichtlicher macht. Wir beide, mein Sohn und ich, waren die Garanten für die Vollständigkeit unter dem Baum. Eigentlich wollten wir die bevorstehende Geschäftsreise nach Pescara in Italien besprechen. Junior hatte vor, dort an einem Meeting einer internationalen Organisation teilzunehmen. Das Treffen war Ende Mai. Ich hatte bis zu dem Moment unterm Ahornbaum geplant, ihn zu begleiten, und freute mich auf den Termin. Etliche der Teilnehmer kannte ich besser als er. Das war nicht schwer, denn zu vorherigen Veranstaltungen in New York, New Orleans und Dubai ließ er sich gern durch mich vertreten. Außer seiner Flugangst gab es keine tiefergehenden Gründe für diese Arbeitsteilung. Pescara an der Adria ist leicht mit dem Auto zu erreichen. Er konnte selbst hin, ohne sich in die Hosen zu machen. Geplant war ein Zwischenstopp in Verona, ein Halt in Venedig und ein Ausflug in die Abruzzen. Naheliegend, weil die Orte auf dem Weg oder tatsächlich nahe der Stadt Pescara zu finden sind. Ich ließ mir nichts anmerken, aber mir schwante als Mutter, dass sich mit meiner soeben angedrohten bevorstehenden Schwiegermutterschaft nicht nur an den Reiseplänen ›Kleinigkeiten‹ ändern würden. Das Gute, wie das Elegante daran war, dass die Chance bestand, ihn endlich dauerhaft an eine Frau, mit der er auch zusammenbliebe, loszuwerden. Abschütteln gelang zuvor nicht, und Abweisung wurde von ihm belächelt. Er war ein zauberhaftes, lebensfrohes und umgängliches Kind. Ein Sonnenschein. Doch mit den Jahren wurde aus ihm ein männlicher Mayer. Unaufhaltsam bretterte er durch die Pubertät und wurde immer größer. Für die Babyklappe war er mittlerweile mit hundertsiebenundachtzig Zentimetern zu lang und mit fast hunderttausend Gramm zu schwer. Zug abgefahren. Ich zog es nie in Erwägung, mich seiner zu entledigen. In Gesprächen unter Müttern von erwachsenen, unverheirateten Söhnen ist die Umgangsform direkter: „Ach, das ist ihr Sohn, der ihnen die schwere Topfpflanze durch die Stadt nach Hause getragen hatte. Das ist aber nett.“ „Den können Sie haben.“ „Danke, nein. Ich habe selbst so einen.“ Ich würde ihn in gute Hände abgeben. Leider musste es von ihm kommen. Und dem Vernehmen nach hatte ich Glück und diese Beziehung würde halten. Allerdings war schon sein Vater ein Mayer und von sich als Tonangeber eingenommen, was es ein Stück weit unkalkulierbar machte. Junior ist eine Schippe drauf. Ich bin auf Seiten der Frauen. ›Katja, das arme Kind.‹ Der Gedanke war müßig. Er ist mein Sohn. Sein Wohl ist der unkündbare Job, der einer nicht gewollten, aber geliebten Schwangerschaft entsprang. „Liebst du sie?“, fragte ich den Mann mit den Heiratsabsichten. „Das weißt du doch.“ „Ihr sagt es euch ständig, und sicher seid ihr verliebt. Wäre das noch in zehn Jahren so, wenn sie krank sein sollte und im Rollstuhl sitzen würde?“ Das klingt für Ungeübte härter, als es bei ihm wirkte. Mit dieser Frage ist mein Sohn aufgewachsen. Andere, die mir mit einer gewissen Hormonfülle von der akuten Besonderheit ihrer Gefühlswelt erzählten, konnte ich die Stimmung mit dem Rollstuhl plattfahren. Bei ihm klappte das nicht. ›Er ist ethisch orientiert und moralisch gefestigt‹ – wäre meine Hoffnung gewesen. Tatsächlich ist er abgehärtet. Was ich ein mahnendes Wort nenne, ist für ihn lästiges, gleichsam gewohntes Waterboarding. „Mutter, du hast mich großgezogen“. „Ich hab’s versucht.“ „Ja, ich liebe sie und wir wollen heiraten. Und überhaupt, es ist doch viel praktischer. Die Fernbeziehung, die Visaanträge. Und immer wieder muss sie zurück nach Minsk, bevor sie erneut einreisen darf. Außerdem machen die weißrussischen Behörden bald nicht mehr mit. Es wird schwieriger für sie.“ ›Sagt sie? Die junge, schlanke Juristin, die in ganz Europa war und unsere Ausländerbeauftragten – schweißgebadet in Ahnungen und Erfahrungen – nicht wissen, was sie tun sollen: den Verfassungsschutz anrufen oder die Scheuklappen für die Liebe aufsetzen‹, dachte ich und verkniff selbst meinen Gedanken weitere Auswüchse. Vorerst. „Wann wollt ihr denn heiraten? Du hast sie erst vor zwei Wochen zum Flughafen gebracht. Und so häufig habt ihr euch nun wirklich nicht gesehen.“ „Ich habe sie noch nicht gefragt – es aber angedeutet.“ „Wie romantisch.“ „Ich werde um ihre Hand anhalten, mit Ring und dem ganzen Drum und Dran, wenn sie wieder zurück ist. Wir fahren nach Italien – alle drei.“ „Welche drei?“ „Wir beide, genau wie geplant – und natürlich Katja.“ Der gefühlte Klang von Hochzeitsglocken wurde schlagartig von etwas ersetzt, das einem Tinnitus ähnelte und wie eine Alarmsirene heulte. „Zusammen? Bist du des Wahnsinns? Da fahrt schön allein hin.“ „Nein, das wird toll. Dann könnt ihr euch gleich richtig kennenlernen. Schließlich werdet ihr eine Familie.“ Ich kann nicht behaupten, dass das Wort ›Familie‹ in diesem Zusammenhang innige Gefühle auslöste. So gut es von ihnen gemeint war, so naiv zeigte es sich mir nur vordergründig. Es roch nach einer Falle. Eine jener Gruben, die man in Unachtsamkeit hilft zu schaufeln, weil man eigentlich Boden einbringen wollte, damit ein Bäumchen wachsen und gedeihen könnte. Stress war vorprogrammiert. Auf die Reise hatte ich mich zuvor gefreut. Ich liebe Italien. Lange Autofahrten und sein Hang, Strecke zu machen, sind mir ein Gräuel. In der neuen Situation gab es Wichtigeres. Mein Sohn bekäme in zartester Selbstreflexion unter idealen Bedingungen die Gelegenheit, mit seiner blondierten Angebeteten mehr als nur ein paar Tage und Nächte am Stück zu verbringen. Die rosarote Brille würde ihre Tönung mit der Zeit verlieren. Bis dahin sollte sich etwas Stärkeres entwickeln: Substanz, Verantwortung – Liebe. „Was hast du dir vorgestellt, wann ihr heiraten wollt?“ „Keine Ahnung. So schnell wie möglich. Vielleicht im September. Sie meint, das wäre passend.“ Ein leichtes Kopfschütteln durchfuhr mich. Es war ausreichend, eine Gehirnerschütterung zu